
Vierfach- vs. Dreifach-Immunsuppression früh nach Lungentransplantation
Wie unterscheidet sich nach einer Lungentransplantation ein Everolimus-basiertes Vierfach-Regime mit reduziertem Calcineurinhibitor (CNI) von einer Triple-Therapie mit Standard-CNI? Dieser Frage gingen Transplantationsmediziner an acht deutschen Zentren in einer prospektiven, randomisierten Studie nach.
Gottlieb J, Neurohr C, Müller-Quernheim J, Wirtz H, Sill B, Wilkens H, Bessa V, Knosalla C, Porstner M, Capusan C, Strüber M. A randomized trial of everolimus-based quadruple therapy vs standard triple therapy early after lung transplantation. Am J Transplant 2019; 19:1759-1769. Zum kostenlosen Volltext der Studie
Intensive Immunsuppression nach Lungentransplantation
Empfänger von Lungentransplantaten sind einem hohen Abstoßungs-Risiko ausgesetzt, was eine intensivere immunsuppressive Therapie im Vergleich zu anderen soliden Organtransplantationen erfordert. Die Erhaltungstherapie besteht in der Regel aus einem CNI, einem Zellzyklushemmer und Prednison. Allerdings erhöht die CNI-Therapie nach einer Lungentransplantation das Risiko für ein Nierenversagen.
Eine frühzeitige Everolimus-basierte Vierfach-Immunsuppression mit niedrigen CNI könnte die Nierenfunktion verbessern, ohne die Wirksamkeit oder Sicherheit der Behandlung einzuschränken. Diese These überprüfte eine deutsche Studiengruppe an insgesamt 8 deutschen Transplantationszentren in einer prospektiven, randomisierten Open-Label-Studie über 12 Monate.
Vierfach- vs. Dreifach-Therapie
Von 180 gescreenten Lungentransplantationspatienten mit leichter oder mittelschwerer renaler Dysfunktion randomisierte das Forscher-Team 130 Patienten 3 bis 18 Monate nach der Transplantation in zwei Therapie-Gruppen*:
- Umstellung auf eine Everolimus-basierte Vierfach-Immunsuppression mit niedrigen CNI (n = 67): Everolimus (Ziel-Talspiegel 3-5 ng/ml) mit reduziertem CNI (Tacrolimus 3-5 ng/ml oder Cyclosporin 25-75 ng/ml) plus Zellzyklushemmer und Prednison
- Weiterführung einer Dreifach-Immunsuppression mit Standard-CNI (n = 63): Tacrolimus (Ziel-Talspiegel > 5 ng/ml) oder Cyclosporin (> 100 ng/ml) plus Zellzyklushemmer und Prednison
* Stratifizierung nach geschätzter glomerulärer Filtrationsrate (eGFR)
Bessere Nierenfunktion unter der Vierfach-Therapie
Die eGFR nach 12 Monaten als primärer Endpunkt zeigte die Überlegenheit der Vierfach-Immunsuppression mit niedrigen CNI (siehe auch Tabelle 1):
- Unter der Vierfach-Therapie betrug die eGFR 64,5 ml/min pro 1,73 m2 vs. 54,6 ml/min pro 1,73 m2 unter der Standard-Dreifach-Therapie.
- Damit lag die eGFR unter der Vierfach-Therapie um 9,9 ml/min pro 1,73 m2 höher als unter der Standard-Dreifach-Therapie.
Tabelle 1: Renale Endpunkte 12 Monate nach Randomisierung
ANOVA-Analyse: eGFR (CKD‐EPI), ml/min pro 1,73 m2
| Vierfach-Therapie mit Niedrig-CNI LS, Mittelwert (95% CI) | Dreifach-Therapie mit Standard-CNI LS, Mittelwert (95% CI) | Differenz LS, Mittelwert (95% CI) | p-Wert |
---|---|---|---|---|
ITT-Population, Mehrfach- Zuordnung | 64,5 (59,4; 69,6) | 54,6 (49,5; 59,7) | 9,9 (5,3; 14,5) | < 0,001 |
ITT-Population, LOCF-Methode | 64,4 (59,1; 69,7) | 55,4 (50,1; 60,7) | 9,1 (4,3; 13,8) | < 0,001 |
Per-Protocol- Population | 72,1 (65,9; 78,2) | 60,1 (55,0; 65,2) | 12,0 (6,5; 17,5) | < 0,001 |
ANOVA: Kovarianzanalyse; CI: Konfidenzintervall; CKD‐EPI: Berechnung nach Formel der Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration; LS: Least Squares Methode (Methode der kleinsten Quadrate); LOCF: Last observation carried forward; ITT: Intention‐to‐treat
Besonders Patienten mit niedriger Nierenfunktion zu Studienbeginn (eGFR 40-60 ml/min pro 1,73 m2) profitierten von der Vierfach-Therapie. Die Differenz zwischen den beiden Gruppen war 15,4 ml/min pro 1,73 m2 (95% CI 5,8; 25,0) zugunsten der Vierfach-Immunsuppression (p = 0,003).
Vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit
Wichtige Wirksamkeitsparameter – wie Biopsie-gesicherte akute Abstoßung, chronische Transplantat-Dysfunktion und Tod – waren nach 12 Monaten zwischen beiden Gruppen ähnlich. Auch die körperliche Leistungsfähigkeit war vergleichbar. Die Lebensqualität war im Hinblick auf körperliche Komponenten vergleichbar, während die Lebensqualität hinsichtlich mentaler Komponenten unter der Triple-Therapie leicht, aber signifikant besser war.
Auch die Sicherheitsparameter unterschieden sich nur in wenigen Punkten. Es gab keine Unterschiede hinsichtlich:
- Unerwünschten Wirkungen gesamt
- Unerwünschten Wirkungen mit Bezug zur Studienmedikation
- Schweren unerwünschten Wirkungen
Die Art der Nebenwirkungen war in der Regel vergleichbar. Nur Akne und periphere Ödeme wurden bei der Vierfach-Therapie öfter beobachtet. CMV-Infektionen waren unter der Vierfach-Therapie numerisch seltener. Unerwünschte Wirkungen, die zum Studienabbruch führten oder eine Dosisreduktion erforderten, traten häufiger unter der Vierfach-Immunsuppression auf. Möglicherweise gab es in dieser Open-Label-Studie die Tendenz, zur Standardtherapie zurückzukehren, anstatt zu versuchen, Nebenwirkungen im Rahmen des neuartigen Everolimus-basierten Regimes zu behandeln, so die Autoren.
Fazit
Die Wissenschaftler bewerten die Everolimus-basierte Vierfach-Immunsuppression mit niedrigen CNI früh nach der Lungentransplantation als wirksam und sicher. Die Nierenfunktion war 1 Jahr nach der frühen Umstellung auf das Vierfach-Regime signifikant höher als bei der Standard-CNI-Triple-Therapie, während die immunsuppressive Wirksamkeit der beiden Therapien vergleichbar war. Auf Grundlage dieser Ergebnisse könne die Gabe von Everolimus im Rahmen einer CNI-Reduzierung bei Lungentransplantationspatienten mit leichter bis mittelschwerer Nierenfunktionsstörung erwogen werden.
Literatur
Gottlieb J et al. A randomized trial of everolimus-based quadruple therapy vs standard triple therapy early after lung transplantation. Am J Transplant 2019; 19:1759-1769.
Autor: Redaktion transplant campus
Redaktion transplant campus
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